Am 12. 7. 2006 hat der EuGH in seiner „Roche/Primus”-Entscheidung auf eine niederländische Vorlage für das EuGVÜ entschieden, dass die in mehreren Schutzländern verursachte Verletzung eines europäischen Bündelpatents durch mehrere in verschiedenen Vertragsstaaten ansässige Gesellschaften nicht im internationalen Gerichtsstand der Streitgenossenschaft vor einem Gericht verfolgt werden kann.
Die im jeweiligen Schutzland erfolgenden Handlungen müssen vielmehr separat vor den Gerichten des jeweiligen Schutzlandes verfolgt werden. Das europäische Bündelpatent verschafft seinem Inhaber für die beantragten Länder nur die Stellung nationaler Patente.
Bei der Verletzung eines europäischen Patents steht daher die Verletzung mehrerer nationaler Patente auf Grund von Verletzungshandlungen zur Beurteilung, die in den diversen Schutzländern erfolgt sind. Nach dem Urteil des EuGH besteht der Zwang zur Verfolgung der Verletzungshandlungen vor den nationalen Gerichten des jeweiligen Schutzlandes selbst dann, wenn die Verletzungshandlungen auf einer zentral gesteuerten Konzernpolitik beruhen und von Konzerngesellschaften in den jeweiligen Schutzländern in derselben oder in ähnlicher Weise verursacht werden, so genannte spider in the web-Ausgangslagen. Der Beitrag untersucht die Auswirkungen dieser Entscheidung auf das Kennzeichenrecht.
Ergebnis:
Die „Roche/Primus”-Entscheidung des EuGH gilt auch im Kennzeichenrecht. Das Konnexitätserfordernis beim internationalen Gerichtsstand der Streitgenossenschaft setzt auch hier voraus, dass die gegen die verschiedenen Streitgenossen geltend gemachten Ansprüche auf demselben Sachverhalt beruhen und nach derselben Rechtslage zu beurteilen sind. Der für den internationalen Gerichtsstand der Streitgenossenschaft erforderliche Sachzusammenhang der Klagen auf der Beklagtenseite verlangt damit zunächst, dass die diversen Streitgenossen dasselbe ältere Kennzeichen oder eine harmonisierte Parallelmarke im jeweiligen Schutzland verletzen, gegen alle Streitgenossen dieselbe Anspruchsart geltend gemacht wird, die Anspruchsvoraussetzungen sich nach derselben oder einer harmonisierten Norm richten und alle Streitgenossen sich gegebenenfalls auf Einwendungen berufen, die nach denselben oder harmonisieren Normen zu beurteilen sind. Es ist regelmäßig nicht von Bedeutung, welcher Kennzeichenart das von den Streitgenossen benutzte jüngere Zeichen entstammt. Jedoch muss die Charakteristik dieses Zeichens und müssen die sonstigen Umstände der Verletzungshandlungen den sachverhaltsbezogenen Tatbestandsmerkmalen des Verletzungstatbestands entsprechen. Erfassen solche Merkmale nur singuläre Sachverhalte, müssen diese bei allen Streitgenossen vorliegen. Die Art der einzelnen Verletzungshandlung ist unbeachtlich, wenn die für den Gerichtsstand relevante Verletzungsnorm die Gleichwertigkeit der Verletzungshandlungen zum Ausdruck bringt.
Die Frage, ob sich das autonom zu beurteilende Merkmal derselben Sach- und Rechtslage mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH und der herrschenden Meinung nur nach dem Klagevortrag richtet oder ob auch die von den beklagten Streitgenossen vorgebrachten Einwendungen zu berücksichtigen sind, ist nach der „Roche/Primus”-Entscheidung des EuGH gegebenenfalls vorlagebedürftig geworden.